Die nachwirkende Zufallsbegegnung im Alster-Cliff. Es war ein herrlicher Frühlingstag. Die Kirschblüte und die warmen Temperaturen lockten die Menschen an die Alster. Nach dieser langen trüben Zeit sind diese ersten Frühlingssonnenstrahlen so wohltuend auf der Haut.

Ich machte einen Spaziergang und entschied mich noch einen Kaffee im Cliff am Alsterufer zu trinken. Ich setzte mich zu einer Frau an den Tisch. Wir kamen schnell ins Gespräch. Ich liebe Menschen und ihre Geschichten und freu mich jedes Mal wenn so eine Begegnung wie zufällig passiert. Die Frau sah müde und erschöpft aus und hielt sich an einem Glas Wein fest. Sie erzählte mir ihr Leid, dass sie in Scheidung leben würde und dass sie es gerade sehr schwer hätte. Sie wunderte sich immer noch über den Mut, den sie aufgebracht hatte, sich von Ihrem Mann zu trennen.  Es war die richtige Entscheidung und sie bereut nicht es getan zu haben. Die Angst vor ihm wird aber wohl bleiben. Dafür hat er sie zu schlecht behandelt und auch bedroht. Sie wurde 30 Jahre erniedrigt, gedemütigt, geschlagen und bevormundet. Ich konnte ihren Schmerz fühlen.

Ihren beiden Töchtern ginge es sehr gut. Sie hätte dafür gesorgt, dass sie eine gute Ausbildung machen konnten und sei sehr stolz auf alles was die beiden Mädels schon geschafft haben. Nur sie, was hat sie geschafft? Wie wird ihre Zukunft aussehen? Sie berichtete, dass sie in psychologischer Behandlung sei. Es täte ihr gut, mit jemandem sprechen zu können. In den 30 Jahren ihrer Ehe war sie ja eher mundtot.

Ihre Zukunftsaussichten waren aus ihrer Sicht nicht sehr rosig. Von ihrem Mann hatte sie nichts zu erwarten. Er hasste sie dafür, dass sie ihn verlassen hat. Ihre Ausbildung sei doch schon sehr lange her. Ihr Mann hatte sie gezwungen, zu Hause bei den Kindern zu bleiben. Ich fragte sie nach ihrer Ausbildung und gab ihr die Hoffnung, dass es nie zu spät sei, etwas aus seinem Leben zu machen. Man müsste es nur anpacken. Es stellte sich heraus, dass Sie ein abgeschlossenes Jurastudium mit 2. Staatsexamen hatte, aber noch nie in diesem Beruf gearbeitet hat. Wow, was für eine tolle Ausbildung! Was für eine tolle Leistung!  Diese positive Ressource war ihr gar nicht mehr bewusst. Da musste es doch einen Weg geben, diese Ausbildung für ihre Zukunft zu nutzen.

Ich fragte sie nach ihren Stärken und auf welchem Gebiet sie sich wirklich gut auskennen würde.
Wir kamen gemeinsam darauf, dass sie u.a. Expertin für Unterdrückung und Gewalt in der Ehe war. Das hatte sie doch 30 Jahre am eigenen Leib erfahren und sich mit großem Mut heraus gekämpft. Was für eine starke Frau.
Ich schlug ihr vor, sich auf Frauen mit dem gleichen Schicksal zu spezialisieren. Sie als Rechtsanwältin mit abgeschlossenem Studium versteht ihre Mandanten und weiß wie man sich aus diesem Gefängnis befreit.

Sie fing an zu strahlen, dass könnte wirklich die Lösung sein. Sie war Expertin für Unterdrückung und Gewalt in der Ehe. Eine Website, ein Blog und das Wissen auf den neuesten Stand bringen…. Viel zu tun…

Sie fiel mir um den Hals und hörte gar nicht mehr auf mich zu drücken. Ich hatte ihr mit meinem Zuhören eine Perspektive offenbart. Wir gingen mit einem wohligen Gefühl auseinander. Diese Begegnung ist jetzt bestimmt schon fast 4 Jahre her. Ich würde gerne wissen wie es ihr heute geht….